Seit dem 1. Dezember 2022 ist der Kreis Euskirchen eine von mittlerweile sieben „Bildungskommunen“ in NRW. Mit der ESF-Förderrichtlinie unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung, Kreise und kreisfreie Städte bei der datenbasierten Weiterentwicklung ihrer Bildungslandschaft und der Bewältigung drängender Herausforderungen im Bildungsbereich: von der Digitalisierung über den Aufbau neuer Kooperationen und Angebote bis hin zu thematischen Schwerpunkten in zukunftsträchtigen Bildungsthemen.

Der Kreis Euskirchen hat sich für die beiden Schwerpunkte "Fachkräftesicherung" und "Integration" entschieden. Damit knüpft der Kreis inhaltlich an ihre bisherige Arbeit der letzten Jahre an. Wir sprachen mit Landrat Markus Ramers über mögliche Lösungsstrategien zur Fachkräftesicherung und wie aus Daten auch Taten für die Gestaltung und Bewältigung des Strukturwandels werden.
 

Welche Herausforderungen im Bereich der Fachkräftesicherung im Strukturwandel sind für Sie zentral?

Markus Ramers: Der Kreis Euskirchen hat die Aufgabe, allen Menschen entsprechend ihrer Fertigkeiten und Fähigkeiten die gesellschaftliche Teilhabe am Strukturwandelprozess bestmöglich zu ermöglichen. Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht, eine nachhaltige, integrative und inklusive Bildungsregion zu werden.      

Darüber hinaus haben wir das Ziel, allen ausbildungsinteressierten Jugendlichen ein Ausbildungsangebot zu unterbreiten und alle angebotenen betrieblichen Ausbildungsplätze zu besetzen.

Der Kreis steht dabei als Teil der Modellregion Rheinisches Revier vor großen Herausforderungen. Neue Berufe müssen entwickelt werden und es besteht die Notwendigkeit, Ausbildungen und Weiterbildungen vor dem Hintergrund der digitalen Transformation/Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu denken. „Grüne“ Berufsausbildungen in der Bioökonomie, der Kreislaufwirtschaft und alternativen Energien, wie die Wasserstoffwirtschaft, sollen neu in der Region erschlossen werden. Generell wird es auch eine größere Bedeutung für klimaschutz- und energietechnische Berufe geben.

Diese Herausforderungen machen eine differenzierte Betrachtung einzelner Berufsgruppen und die Festlegung der Relevanz einzelner Berufe für den Kreis erforderlich. Welche Berufe stecken im Strukturwandel, welche sind zukunftsfähig? Dabei sind vor allem auch digitale Kompetenzen wichtig. Die Herausforderungen, aber auch die Chancen der Digitalisierung in der Bildung, müssen strategisch und zielführend angegangen werden. Dieser Transformation muss mit mehr Flexibilität begegnet werden. Gerade hier im Kreisgebiet ist die Vernetzung von digitalen und analogen Bildungsangeboten im Hinblick auf die Mobilität der jungen Menschen von großem Nutzen. Bei der Begleitung dieses Prozesses sind aussagekräftigen Daten sehr hilfreich.
 

Welche Impulse versprechen Sie sich für den Kreis Euskirchen durch die Teilnahme am Bundesprojekt und wie helfen Ihnen als Landrat Daten und Fakten im besten Fall dabei?

Markus Ramers: Das Management von Bildung ist immer dann besonders passgenau, wenn es auf einer aktuellen Datenbasis erfolgt. Das Bundesprojekt Bildungskommunen unterstützt den Kreis dabei, sein Bildungsmanagement und das Bildungsmonitoring weiter auszubauen (und die Bildungslandschaft in Zahlen zu erfassen).

Eine Datenbasis dient dazu, die tatsächliche Ausgangslage mit unseren Vermutungen abzugleichen und so zu objektiven Entscheidungen in der Bildungspolitik zu kommen. Dies kann bei der Vielzahl der an Bildung beteiligten Akteur*innen eine wichtige und vor allem gemeinsame Grundlage für die Modifizierung der Rahmenbedingungen für gute Bildung hier im Kreis sein und eine wirksame Bildungssteuerung unterstützen.

Daten helfen dabei, potenzielle Problemlagen sowie relevante Entwicklungen aufzuzeigen. Veränderungsimpulse in der Bildungslandschaft können so angestoßen werden. Gerade Verlaufszahlen, die durch eine fortlaufende Bildungsberichterstattung generiert werden, helfen den Akteur*innen der Bildungslandschaft dabei, die Wirksamkeit von durchgeführten Maßnahmen zu überprüfen und durch Stellschrauben die Rahmenbedingungen zu optimieren.
 

Wie gelingt es aus Ihrer Sicht, dass aus Daten auch Taten für die Gestaltung und Bewältigung des Strukturwandels werden? Was braucht es dafür?

Markus Ramers: Die Transformation macht ein Umdenken in der Bildung auf vielen Ebenen erforderlich. Zahlen schaffen Fakten und geben einen Überblick über die konkrete Bildungssituation vor Ort. Lücken und auch Überangebote werden so sichtbar. Taten können in Form von der Entwicklung von Handlungsmaßnahmen folgen. Eine bedarfsgerechte Planung kann passgenaue Bildungsangebote für die Bürgerinnen und Bürger möglich machen. So werden Ressourcen effizienter und zielgerichteter eingesetzt.

Wenn alle zusammenarbeiten und auch die Perspektiven von Unternehmen und Jugendlichen im Kreis beachtet werden, können bereits jetzt wichtige Weichen für die Zukunft und einen gelingenden Strukturwandel im Kreis Euskirchen gestellt werden.

Man kann auch mal mutig sein und neue Wege gehen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt dann, ob es der richtige Weg ist oder ob man an der ein oder andere Stellschraube noch nachjustieren muss.
 

Welche Rolle spielt für Sie die Zusammenarbeit in der Region für die Bewältigung der Herausforderungen im Strukturwandel? Beispielsweise im Bereich der Beruflichen Bildung oder Weiterbildung.

Markus Ramers: Die regionalspezifischen Erkenntnisse müssen mit kommunalen Bedarfen in der Entwicklung der beruflichen Bildung abgeglichen werden. Die Kommunen sind ja auch ein Stück weit die Vertreter des Rheinischen Reviers. Gerade im Handlungsfeld Bildung gehört es für uns als Kreis Euskirchen zu unserer Aufgabe, eine gemeinsame regionale Bildungsstrategie mitzuentwickeln und an der Umsetzung durch kommunale Lösungen mitzuarbeiten. Aus der Zusammenarbeit entstehen Synergien, die man nutzen muss. Natürlich sind Doppelstrukturen dabei zu vermeiden. Das kann nur gelingen, wenn man gemeinsam die Chancen des Strukturwandels angeht. Denn die Megatrends halten sich nicht an Kreisgrenzen und müssen in einem größeren Kontext gedacht werden. So können die großen Zukunftsthemen unserer Zeit besser in Aus- und Weiterbildung eingebracht und Potenziale nutzbar gemacht werden.  Aus- und Weiterbildung sind wichtige Eckpfeiler bei der Entwicklung einer Fachkräftestrategie und auch für einen gelingenden Strukturwandel notwendig.

Ein erster Ansatz bringt der Aufbau der Berufskollegs mit modernerer Ausstattung, um die Ausbildung attraktiver zu gestalten. In der Ideenfabrik für nachhaltige Wirtschaft werden die Unternehmen in diesem Handlungsfeld unterstützt. Hier spielt die Weiterbildung eine zentrale Rolle.

Vielen Dank für das Gespräch.